Das Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte der Technischen Universität Berlin ist vor allem deshalb ein Partner im Verbundprojekt, weil durch die "Gesamtinventarisation des Jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee" reichhaltige Erfahrungen auf dem Gebiet der Friedhofsinventarisation und Visualisierung gesammelt wurden. Für die Baugeschichte bietet sich aber darüber hinaus die Möglichkeit, grundsätzlich Strukturen bzw. Modelle für die systematische, digitale Erfassung historischer Architektur weiterzuentwickeln, um so die Möglichkeiten der Bearbeitung räumlich-zeitlicher Aspekte von architektonischen Objekten im Sinne der Digital Humanities zu bereichern.

Allgemeine Projektstruktur

Der Vorteil der Verbindung von Informationen aus der Epigraphik und der Baugeschichte zur Erforschung historischer Friedhöfe besteht in der ganzheitlichen Sicht auf das Objekt. Die Baugeschichte kann so zur Auswertung formaler Merkmale jedes einzelnen Grabsteins auf eine konkrete Datierung durch die epigraphische Bearbeitung der Inschriften zurückgreifen. Auch die soziale sowie geographische Herkunft der Akteure lässt sich mitunter aus den Inschriften ableiten. Durch diese Informationen lassen sich zeitlich und geographisch bedingte Moden bestimmter formaler Merkmale von Grabsteinen genau untersuchen und so die Formgeschichte jüdischer (oder auch nicht jüdischer) Grabsteine über neun Jahrhunderte im Detail verfolgen. Die Analyse solcher formaler Moden bietet den Epigraphikern wiederum die Möglichkeit, Grabsteine mit nicht lesbaren Inschriften oder schriftlose Fragmente zeitlich genauer einzuordnen. Dies kann unter anderem dabei helfen, zerstörte jüdische Friedhöfe virtuell oder auch ganz praktisch zu rekonstruieren.

Die Eingabe der Daten aus der Epigraphik und Baugeschichte erfolgt nicht über Eingabemasken direkt in die Datenbank, sondern durch strukturierte XML-Dateien. Dies hat den Vorteil, dass die Fachwissenschaftler selbst die semantische Struktur ihrer Informationen designen und so den Erfordernissen ihrer jeweiligen Disziplin gerecht werden können. Die Epigraphiker benutzen dafür TEI-Epidoc konforme XML-Schemata. Die Beschreibung formaler Merkmale durch die Baugeschichte konnte allerdings auf keinen vorhandenen Standard zurückgreifen und hat aus diesem Grund ein eigenes Datenmodell ausgearbeitet, das im Folgenden genauer beschrieben werden soll.

Datenmodell für die Beschreibung formaler Merkmale aus technischer Sicht

Im Sinne einer möglichst aussagekräftigen Datenauswertung sind an das Datenmodell zur Erfassung formaler Merkmale der Grabmale verschiedene Anforderungen gestellt:

  • Ein flexibler Detaillierungsgrad, d.h. sowohl einfache, wie auch komplexe Beschreibungen sollten möglich sein - einfache Beschreibungen sollten im Nachhinein beliebig ausdifferenziert werden können;
  • Die Beschreibung sollte so strukturiert und bezeichnet sein, dass sie der Auswertung mit quantitativen Methoden zugänglich ist, da durch die hohen Fallzahlen (in Hamburg-Altona allein 6.000 Grabsteine) weniger das individuelle Grabmal, als vielmehr allgemeine Tendenzen im Fordergrund stehen.

 

Abb. 1: Vereinfachte Darstellung des für die Beschreibung formaler Merkmale verwendeten XML-Schemas. Entscheidend ist die Möglichkeit, ein Element vom Typ object durch Rekursion bliebig oft ineinanderzuschachteln. Die ausführliche Darstellung mit allen Attributen findet sich hier.

Die ausgearbeitete Datenstruktur für die Grabmalbeschreibung wird durch ein XML-Schema festgelegt und ist öffentlich zugänglich (siehe dazu: RiR_gravestonedescription-1.1.xsd). Kern des Datenmodells bildet ein XML-Element "object", dessen Inhalt leer bleibt, da die Informationen in entsprechenden Attributen notiert sind. Zu diesen Attributen gehören:

  • Die invnr dient der Identifizierung des Datensatzes mit einer entsprechenden Inventarnummer. Wird das Beschreibungssystem für ganze Gebäude angewendet, kann in dieses Attribut die Raum- bzw. Befundnummer eingetragen werden.
  • Eine category, die die Klasse des zu beschreibenden Objekts bezeichnet. Solche Klassen können u.a. Grabmal, Einzelelement, Spezifizierung oder Ornament sein;
  • Ein type, der den Typ des zu beschreibenden Objekts bezeichnet. Im Fall des gesamten Grabmals dient das Attribut zur Beschreibung des Grabmaltyps, wie Tafel, Stele, Pultstein etc. Bei Einzelelementen wird mit dem Typen-Attribut das entsprechende Bauteil benannt. Dazu zählen strukturelle Bauteile wie die Zonen Sockelzone, Mittelteil/Schaft oder oberer Abschluss (siehe weiter unten) aber auch alle weiteren Einzelelemente wie Oberfläche oder Seitenkanten etc.;
  • Ein form-Attribut, das zum jeweiligen Objekttyp die entsprechende Form liefert. Zu den Formen zählen unter anderem gerade, dreieckig oder abgeschrägt. Formen des Typs oberer Abschluss sind in der Regel Bogenformen wie Rundbogen, Karniesbogen etc. Formen von Oberflächen können beispielsweise gespitzt, schariert usw. sein. Die direkte Paarung von Objekttypen mit konkreten Formen ermöglicht letztlich überhaupt die quantitative Auswertung formaler Merkmale;
  • Die quantity-combination ermöglicht die Angabe der Anzahl mehrfach vorkommender Objekte. Der Datentyp ist ein union-type, der sowohl die Eingabe von integer-Werten (Zahlen, wie z.B. 5, 12, 200) aber auch von Begriffen, wie einzeln, mehrfach etc. erlaubt. Das Attribut ermöglicht aber auch die Erfassung kombinierter Formen, die sich dann als gedoppelt-gekuppelt bzw. mehrfach-gekuppelt beschreiben lassen;
  • Ein plasticity-Attribut, das die Plastizität eines Elements, wie erhaben, vertieft oder bündig, angibt. Dieses Attribut wird vorrangig für Ornamente aber auch Rahmungen oder Schriftfelder verwendet;
  • Die Attribute existent, insitu und fragment beschreiben die Integrität eines Objektes und verwenden Boolsche Werte, also ja/nein bzw. false/true. Die Angabe existent="false" wird beispielsweise für Grabmale verwendet, die nicht mehr erhalten aber von historischen Abbildungen beschrieben werden können. Mit der Angabe insitu="false" lassen sich Grabmale aus einer Abfrage ausschließen, die sich nicht mehr an ihrem originalen Ort befinden und deren räumliche Lage somit keine oder verfälschende Ergebnisse in einer Kartierung liefern würde. Mit der Angabe fragment wiederum lassen sich teilweise automatisch passende Fragmente virtuell oder auch praktisch wieder zusammenführen;
  • Die Attributgruppe dimensions enthält Angaben zu den Abmessungen eines Objekts und fasst die Attribute height, width und depth zuzüglich einer unit als Maßeinheit zusammen.

Entscheident für den flexiblen Detaillierungsgrad der Grabmalbeschreibungen ist jetzt die Möglichkeit, dass mittels Rekursion jedem Objekt mit den genannten Attributen beliebig viele weitere Objekte mit den gleichen Attributen untergeordnet werden können (siehe Abb. 1). Auf diese Weise entsteht ein hierarchisches Geflecht von einzelnen Objekten, das die Hierarchie der tatsächlich vorhandenen Architektur genau abzubilden versucht. Der Vorteil dieses Vorgehens besteht vor allem darin, dass jede Beschreibung auch zu einem späteren Zeitpunkt beliebig weiter ausdetailliert werden kann. Ein weiterer Vorteil besteht in der Tatsache, dass durch die möglichst genaue Abbildung der tatsächlich vorhandenen Struktur sich gegenseitig übergreifender Einzelobjekte wenig interpretierend eingegriffen wird. D.h. es sind Abfragen zu den Beziehungen der Objekte untereinander möglich, deren Relevanz nicht schon bei der Erfassung erkannt und in der Beschreibung intendiert wurde.

Die Datenauswertungen durch Kartierungen oder Diagramme können aber nur dann besonders aussagekräftig sein, wenn ein feststehendes Vokabular zur Beschreibung der einzelnen Objekte innerhalb der oben genannten Attribute verwendet wird. Dieses Vokabular ist einerseit im XML-Schema festgelegt, steht aber auch Dritten als SKOS innerhalb von RiR_gravestonedescription-vocabulary.rdf zur Verfügung. Um darüber hinaus besonders valide Daten zu erhalten, wird während der Eingabe zusätzlich eine Kontextprüfung durchgeführt. So wird beispielsweise das form-Attribut mit Inhalt "schariert" niemals in Kombination mit dem type-Attribut "oberer Abschluss" vorkommen, denn diese Form ist dem Objekttyp "Oberfläche" vorbehalten. Die Kontext-Validierung wird mittels einer Schematron-Datei (siehe dazu: RiR_gravestonedescription-1.1.sch) durchgeführt.

Datenmodell für die Beschreibung formaler Merkmale aus baugeschichtlicher Sicht

Die Erfassung von formalen Merkmalen von Grabsteinen mit der flexiblen, oben beschriebenen Struktur kann nur dann besonders aussagekräftig sein, wenn bestimmte Reihenfolgen bzw. Konventionen einheitlich angewendet werden. Dazu sind bestimmte Teilelemente des Grabmals vordefiniert, die im Folgenden genauer erläutert werden sollen.

Typisierung

Das object-Element auf der obersten Hierarchieebene bezeichnet zunächst das Grabmal in seiner Gesamtheit (category="Grabmal"). Zur Bestimmung eines entsprechenden Grabmaltyps, wie Stele, Tafel, Pultstein oder auch Scheinsarkophag etc. wurde ein Organigramm im Sinne einer Taxonomie ausgearbeitet, mit dessen Hilfe die Bearbeiter anhand bestimmter Merkmale (z.B. Proportion von Abmessungen) den entsprechenden Bautyp exakt bestimmen können (siehe Abb. 2). Der Vorteil dieser Typisierung liegt vor allem darin, dass mit der Nennung eines einzigen Begriffs im Sinne der Merkmalsvererbung gleich eine ganze Reihe von Kriterien erfasst werden kann. Der Nachteil besteht in der Unmöglichkeit, diese einmal festgelegten Typen im Nachhinein weiter ausdifferenzieren zu können. Die Typisierung der Grabmale liefert in der Datenauswertung zunächst also nur einen groben Überblick.

 

     

Abb. 2: Organigramm zur Bestimmung der Grabmaltypen (auch als Vollformat-pdf).

Die festgelegten Grabmaltypen werden im Folgenden einzeln näher erläutert:

Scheinsarkophag (pseudo-sarcophagus)

Der Scheinsarkophag ist "liegend" (horizontal) ausgerichtet bzw. trägt seine "Inschrift nach oben". Er überdeckt dabei die gesamte bzw. den Großteil der Grabstelle. Der Scheinsarkophag ist körperhaft ausgebildet und soll, wie sein Name schon sagt, einen Sarkophag darstellen.

Auf Friedhöfen des späten 19. und frühen 20. Jahrhundert im mitteleuropäischen Raum ist der Scheinsarkophag oft naturalistisch dargestellt und gelegentlich zusätzlich mit einem Tuch verhängt. Bei äteren traditionellen jüdischen Friedhöfen ist der Scheinsarkophag meist stärker stilisiert, nicht selten in Form eines antiken Ossuariums. Häufig anzutreffen sind Scheinsarkophage vor allem auf sephardischen friedhöfen z.B. in Hamburg-Altona, Split, Sarajewo oder Thessaloniki. In Hamburg und Split wird dabei nur noch ein pyramidaler Sargdeckel dargestellt. Inwiefern die Grabformen in Sarajewo oder auch in Thessaloniki als Scheinsarkophage bezeichnet werden können, bleibt noch zu prüfen. Auf traditionellen ashkenasischen Friedhöfen wird der Scheinsarkophag gern mit einer einseitigen oder beidseitigen Tafel kombiniert. Dies trifft beispielsweise auf die Gräber auf dem alten Friedhof der Remu-Synagoge in Krakau zu. Gleiches lässt sich auch in Prag beobachten. Ähnliche Formen gibt es auch bisweilen in Weißensee (Hermann Cohen). Inwiefern solche Hybride mithilfe der Typisierung bezeichnet werden können bleibt noch zu prüfen (siehe unten). Auffällig ist, dass gerade in Krakau der an die Tafel angeschlossene Scheinsarkophag zunehmend degeneriert und als stilisierter Fortsatz fortlebt. Auch dieses Phänomen ist innerhalb der Typisierung noch nicht ausreichend berücksichtigt.

          

Scheinsarkophage von links nach rechts: 1. ashkenasischer Scheinsarkophag auf dem Friedhof der Remu-Synagoge in Krakau (Polen); 2. jüdischer Baghdadi Friedhof in Surat (Indien); 3. jüdischer Friedhof in Penang (Malaysia); 4. "Sarkophagdeckel" auf dem portugiesischen jüdischen Friedhof in Amsterdam (Niederlande); 5. "Sarkophagdeckel" auf dem sephardischen Friedhof in Split (Kroatien); 6. Scheinsarkophage mit rundem Deckel auf dem jüdischen Friedhof in Stip (Mazedonien), vermutlich Inschrift nach vorn gerichtet; 7. Scheinsarkophage in "Schuhform" mit vermutlich nach vorn gerichteter Inschrift auf dem jüdischen Friedhof in Tuzla (Bosnien-Herzegowina); 8. verschiedene Scheinsarkophagformen auf dem jüdischen Friedhof in Bugojno (Bosnien-Herzegowina), wohl teilweise mit nach vorn gerichteter Inschrift; 9. Sonderform auf dem sephardischen Friedhof von Sarajewo (Bosnien-Herzegowina) mit nach vorn gerichteter Inschrift; 10. Kastengräber auf dem sephardischen Friedhof von Thessaloniki (Griechenland); 11. Kastengräber auf einem jüdischen Friedhof bei Kairo (Ägypten).

Liegende Platte (reclined board)

Die liegende Platte ist "liegend" (horizontal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach oben". Sie überdeckt dabei die gesamte bzw. den Großteil der Grabstelle. Die liegende Platte ist nicht körperhaft, sondern flach, also als Platte ausgebildet. Nicht selten ist die liegende Platte etwas angeschrägt.

Auch die liegende Platte ist vorrangig auf sephardischen Friedhöfen beliebt. Auf dem sephardischen Teil in Hamburg bilden sie die Mehrheit aller Grabsteine. Im südfranzösischen Bayonne (portugiesischer Friedhof) sind alle Grabsteine liegende Platten. Bisweilen scheint die Abgrenzung zum Scheinsarkophag schwierig. Hier müssen die Randbereiche noch klarer definiert werden.

   

Liegende Platten von links nach rechts: 1. liegende Platten auf dem sephardischen Friedhof in Bayonne (Frankreich); 2. liegende Platten auf dem sephardischen Friedhof in Bayonne (Frankreich); 3. liegende Platten neben Scheinsarkophagen auf dem sephardischen Friedhof in Hamburg-Altona; 4. angeschrägte, stark körperhafte liegende Platte auf dem jüdischen Friedhof in Bugojno (Bosnien-Herzegowina).

Kissenstein (pillow marker)

Der Kissenstein ist "liegend" (horizontal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach oben". Er überdeckt dabei nur das Kopfende bzw. nur einen kleinen Teil der Grabstelle. Der Kissenstein kann quer- oder längsrechteckig ausgebildet sein. Kissensteine sind nicht selten angeschrägt.

Kissensteine sind vor allem im Zusammenhang mit Urnengräbern gebräuchlich und kommen deshalb auf jüdischen Friedhöfen i.d.R. erst seit dem späten 19. bzw. dem frühen 20. Jahrhundert vor. Eine spezielle Ausprägung des Kissensteins ist der Kriegsgrabstein, der von der Kriegsgräberfürsorge in immer gleicher Form gesetzt wird. Da Opfer des Holocaust als Kriegsopfer angesehen werden, kommen Kriegsgrabsteine auf jüdischen Friedhöfen zunehmend häufiger in Gebrauch.

Tafel (slab)

Die Tafel ist "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach vorn". Die Grundform bildet ein einfaches "aufrechtes Prisma". Der Grundriss der Tafel bzw. ihr Querschnitt ist "viereckig". Das Breite-Tiefe-Verhältnis im Grundriss (bzw. Querschnitt) beträgt mindestens 1:3 meist 1:5 oder mehr. Tafeln sind stets "nach oben gerade" ausgebildet. Sollte sich der Mittelteil/Schaft einer Tafel nach oben oder nach unten verjüngen oder abgeschrägt sein, so handelt es sich automatisch um eine Stele (siehe dort) nicht um eine Tafel. Zudem wird ein Grabstein mit den genannten Merkmalen nur dann als Tafel bezeichnet, wenn er ohne architektonische Gliederung bleibt, d.h. wenn keine Pilaster, Gesimse und Giebel ausgearbeitet sind. Liegt architektonische Gliederung bei sonst gleichen Merkmalen vor, handelt es sich nicht um eine Tafel, sondern um eine Stele (siehe dort). Allgemein betrachtet zeichnen sich Tafeln insbesondere dadurch aus, dass es sich um einen einfachen, aufrechten und vor allem besonders flachen Grabstein handelt.

Tafeln sind bereits auf den ältesten jüdischen Friedhöfen in Worms und Prag sowie in Bonn-Scharzrheindorf und Hamburg-Altona gebräuchlich. Zumindest in Deutschland werden bis ins 18. Jahrhundert hinein auf jüdischen Friedhöfen zu nahezu 100% Tafeln angewendet. Auch bei den orthodoxen jüdischen Gemeinden in Osteuropa, so auf den Friedhöfen in Krakau, Brody, Wischnitza, Tschernowitz und Siret wurden fast ausschließlich Tafeln verwendet und bleiben dort lange gebräuchlich. Tafeln können als die typische ashkenasische Grabform bezeichnet werden. Bei jüngeren jüdischen Friedhöfen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts gelten Tafeln als "Anzeiger" für einen traditionellen religiösen Habitus und kommen hier oft in Zusammenhang mit ausführlichen hebräischen Inschriften vor.

Tafeln von links nach rechts: 1. Tafeln auf dem jüdischen Friedhof in Worms (Deutschland), dem ältesten erhaltenen jüdischen Friedhof weltweit; 2. Tafeln (und ein paar Stelen) auf dem alten jüdischen Friedhof in Prag (Tschechien); 3. Tafeln auf dem ashkenasischen Teil des jüdischen Friedhofs in Hamburg-Altona; 4. Tafeln auf einem jüdischen Friedhof in Pidhajzi (Ost-Galizien, heute Ukraine); 5. reich verzierte Tafeln in Wishnitza (jiddisch Witznitz, Ostgalizien, heute Ukraine); 6. der jüdische Friedhof von Brody (Ost-Galizien, heute Ukraine) besteht nahezu ausschließlich aus Tafeln; 7. Tafeln (und wenige Stelen) auf dem jüdischen Friedhof in Siret (Bukowina, heute Rumänien); 8. Tafeln aus Sandstein (ältere Form) und dunklem Hartgestein (moderne Form) auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee (Deutschland); 9. Tafel aus Sandstein - der ältere Typ vor 1900 - auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee (Deutschland); 10. Tafel aus dunklem Hartgestein - moderner Typ der sog. jüdischen Renaissance der späten 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts - auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee (Deutschland).

Stele (stele)

Die Stele ist "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach vorn". Die Grundform bildet ein einfaches "aufrechtes Prisma". Der Grundriss der Stele bzw. ihr Querschnitt ist "viereckig". Das Breite-Tiefe-Verhältnis im Grundriss (bzw. Querschnitt) ist größer als 1:1 und kleiner als 1:3. Grabsteine des vorgenannten Breite-Tiefe-Verhältnis sind darüber hinaus aber nur dann Stelen, wenn das Breite-Höhe-Verhältnis größer als 1:1,5 beträgt, anderenfalls ist der Grabstein ein "gedrungender Grabstein" (siehe dort). Ein Grabstein ist ferner dann eine Stele, wenn bei vorgenanntem Breite-Höhe-Verhältnis von größer als 1:1,5 aber flacherem Breite-Tiefe-Verhältnis im Grundriss (über 1:3) starke architektonische Gliederung oder Verjüngung nach oben oder unten (bzw. Anschrägung in genannte Richtungen) vorliegt. Insgesamt stellt die Stele einen aufrechten, kräftigen Grabstein mit bisweilen ausgeprägter architektonischer Gliederung dar.

Stelen können zwar nicht als typisch jüdischer Grabstein angesehen werden, stellen aber in der Antike und so auch im Barock, Klassizismus und Historismus den konfessionsübergreifend wichtigsten Grabsteinuntertyp dar. Stelen gibt es bereits auf dem alten jüdischen Friedhof in Prag, dem ashkenasischen Teil des Friedhofs in Hamburg-Altona. Stelen werden in der frühen Zeit neben Tafeln vor allem dann angewendet, wenn ein hohes Repräsentationsbedürfnis besteht und der Grabstein deshalb auffällig reichhaltig architektonisch gegliedert wird. Im 19. und 20. Jahrhundert kommt sie Stele vor allem aufgrund der Rückbesinnung auf die Antike vermehrt zum Einsatz. Dies betrifft alle Konfessionen. Die Stele ist anscheinend vor allem bei den jüdischen Bevölkerungskreisen beliebt, die als besonders aufgeklärt oder auch akkulturiert bezeichnet werden können. Die Stele als "Anzeiger" des "Reformjudentums" bildet also das Gegenstück zur Tafel (siehe dort).

    

Abb. Stelen von links nach rechts: 1. Stelen (architektonische Gliederung) auf dem alten jüdischen Friedhof in Prag (Tschechien); 2. Stele (architektonische Gliederung) auf dem ashkenasischen Teil des jüdischen Friedhofs Hamburg-Altona (Deutschland); 3. Stele (architektonische Gliederung) auf dem ashkenasischen Teil des jüdischen Friedhofs Hamburg-Altona (Deutschland); 4. Stele (architektonische Gliederung - vielleicht auch Ädikula?) auf dem neuen jüdischen Friedhof in Krakau (Polen, nach 1800); 5. (architektonische Gliederung - mit Maßwerk) auf dem neuen jüdischen Friedhof in Krakau (Polen, nach 1800); 6. (architektonische Gliederung) auf dem neuen jüdischen Friedhof in Krakau (Polen, nach 1800); 7. an einen Obelisken erinnernde Stele (nach oben verjüngt, querrechteckig) im Sockelbereich mit Maßwerk (gotisch - Spitzbogen), Mittelteil/Schaft nach oben verjüngt und oberer Abschluss pyramidal - also ägyptisierend auf dem neuen jüdischen Friedhof in Krakau (Polen, nach 1800); 8. obeliskartige, nach oben verjüngte Stelen aus schlesischem Marmor und sächsischem Sandstein in Weißensee (Deutschland, vor 1900); 9. obeliskartige, nach oben verjüngte Stele aus dunklem Hartgestein in Weißensee (Deutschland, nach 1900).

Gedrungener Grabstein (stocky tombstone)

Der gedrungene Grabstein (bzw. stehender Grabstein) ist "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach vorn". Die Grundform bildet ein einfaches "aufrechtes Prisma". Der Grundriss des gedrungenen Grabsteins bzw. sein Querschnitt ist "viereckig". Das Breite-Tiefe-Verhältnis im Grundriss (bzw. Querschnitt) ist größer als 1:1 und kleiner als 1:3. Grabsteine des vorgenannten Breite-Tiefe-Verhältnis sind darüber hinaus aber nur dann gedrungene Grabsteine, wenn das Breite-Höhe-Verhältnis kleiner als 1:1,5 beträgt, anderenfalls ist der Grabstein eine "Stele" (siehe dort). Beim gedrungenen Grabstein handelt es sich demnach um eine "Stele" mit reduzierter Höhe. Dieser Grabsteintyp wird vor allem seit dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts angewendet und geht vermutlich auf Friedhofsordnungen zurück, die aus Sicherheitsgründen die Höhe von Grabsteinen beschränken. Eine Sonderform des gedrungenen Grabsteins bilden auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee die sogenannten Gemeindesteine - von der Friedhofsverwaltung standardisiert ausgeführte Grabsteine -, die mit einer Höhe von nur etwa 30 cm hier massenhaft gesetzt wurden. Gedrungene Grabsteine finden sich ferner auf dem mittelalterlichen Gedenkfriedhof in Mainz. Hierbei handelt es sich um rohe Findlinge, die zur Nutzung als Grabstein einseitig geglättet wurden.

Obelisk (obelisk)

Der Obelisk ist "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach vorn" (die Inschrift ist meistens im Sockelbereich angebracht). Die Grundform bildet ein einfaches "aufrechtes Prisma". Der Grundriss des Obelisken bzw. sein Querschnitt ist stets "quadratisch". Das Breite-Tiefe-Verhältnis im Grundriss (bzw. Querschnitt) ist deshalb immer 1:1, anderenfalls handelt es sich um eine "Stele" (siehe dort). Obelisken sind oft nach oben verjüngt und tragen stets einen pyramidalen oberen Abschluss. Anders als obeliskenartige Stelen (mit pyramidalem Abschluss aber rechteckigem Grundriss bzw. Querschnitt) bilden "echte" Obelisken (mit quadratischem Grundriss) einen untergeordneten Typ auf jüdischen Friedhöfen und kommen relativ selten vor.

Pfeiler (pillar)

Wie der "Obelisk" ist der Pfeiler "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach vorn" (die Inschrift ist meistens im Sockelbereich angebracht). Die Grundform bildet ein einfaches "aufrechtes Prisma". Der Grundriss des Pfeilers bzw. sein Querschnitt ist stets "quadratisch". Das Breite-Tiefe-Verhältnis im Grundriss (bzw. Querschnitt) ist deshalb immer 1:1, anderenfalls handelt es sich um eine "Stele" (siehe dort). Pfeiler sind oft nach oben gerade (nicht verjüngt) und tragen verschiedene obere Abschlüsse jedoch keinen pyramidalen Abschluss (in diesem Fall handelt es sich um einen "Obelisken"). Pfeiler bilden einen untergeordneten Typ auf jüdischen Friedhöfen und kommen nur selten vor.

Säule (column)

Wie der "Pfeiler" ist der Säule "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach vorn" (die Inschrift ist meistens im Sockelbereich angebracht). Die Grundform bildet ein einfacher "Zylinder". Der Grundriss der Säule bzw. ihr Querschnitt ist stets "rund". Insgesamt kommen Säulen auf jüdischen Friedhöfen selten vor. Eine beliebte Form der Säule bildet die oben "abgebrochene" Säule (oberer Abschluss "unregelmäßig").

Pultstein (lectern stone)

Im Gegensatz zu den vorgenannten Grabsteintypen zeichnet sich der Pultstein dadurch aus, dass er deutlich sichtbar aus zwei Komponenten zusammengesetzt ist - der Sockelpfeiler und eine oft leicht angeschrägt angebrachte Inschriftentafel. Insgesamt ergibt sich das Bild eines "Notenständers" oder "Rednerpults". Der Pultstein ist "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt seine "Inschrift nach vorn". Die Sockelpfeiler des Pultsteins können als Baumstumpfimitat, Bruchsteinimitat oder als einfacher Pfeiler ausgebildet sein. Pultsteine kommen insbesondere auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee zwischen 1890 und 1912 massenhaft vor.

Ädikula (aediculae)

Bei der Ädikula handelt es sich um eine Architekturnachbildung, ein Rahmungsmotiv, das seit der Antike bekannt ist. Die Ädikula ist "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. trägt ihre "Inschrift nach vorn". Die Ädikula ist einansichtig ausgebildet. Die Hauptansichtsseite charakterisiert sich durch ein Rahmungsmotiv, das aus jeweils zwei Voll-, Dreiviertel- bzw. Halbsäulen oder Pilastern besteht, die einen Giebel (meist "dreieckig" od. "Segmentbogen") tragen. Die Ädikula bildet als Grabsteintyp eine untergeordnete Rolle.

Kleinarchitektur (small-scale architecture)

Auch bei der Kleinarchitektur handelt es sich wie bei der "Ädikula" um Architekturnachbildungen im mineaturisierten Maßstab. Kleinarchitekturen sind in der Regel "stehend" (vertikal) ausgerichtet bzw. tragen ihre "Inschrift nach vorn". Anders als die "Ädikula" sind Kleinarchitekturen mehransichtig und oft durchbrochen. Kleinarchitekturen sind äußerst selten.

 

Zonierung

Wie erwähnt, liegt der Vorteil dieser oben thematisierten Typisierung vor allem darin, dass mit der Nennung eines einzigen Begriffs im Sinne der Merkmalsvererbung gleich eine ganze Reihe von Kriterien erfasst werden kann. Der Nachteil besteht, wie ebenfalls erläutert in der Unmöglichkeit, diese einmal festgelegten Typen im Nachhinein weiter detaillieren zu können. Um die einmal festgelegten Grabsteintypen mit ihren inhärenten Merkmalen auch weiterhin auszudifferenzieren, wird jeder Grabmaltyp in bestimmte vorher festgelegte Zonen eingeteilt (Abb. 3), die als Einzelobjekte dem Grabmal untergeordnet werden können (category="Einzelelement"). Zu diesen Zonen zählen die Objekttypen Unterbau, Sockelzone bzw. unterer Abschluss, Mittelteil/Schaft, oberer Abschluss und Aufsatz (z.B. category="Einzelelement" type="oberer Abschluss"). Eine solche Einteilung ist bei der Betrachtung historischer Architektur relativ allgemeingültig, d.h. auch ein antiker Tempel oder eine barocke Schlossfassade folgen grundsätzlich dieser Zonierung. Mithilfe dieser Einzelelemente lassen sich jetzt Teile des Grabmals eines bestimmten Typs genauer charakterisieren. Beispielsweise können der Zone vom Typ oberer Abschluss im Formattribut bestimmte Bogenarten wie Rund-, Segment- oder Karniesbogen aber auch gerade oder dreieckig zugewiesen werden (z.B. category="Einzelelement" type="oberer Abschluss" form="Rundbogen"). Durch die systematische Erfassung solcher Einzelelemente können jetzt unter anderem auch solche Grabsteine vom Typ Stele herausgefiltert werden, deren Mittelteil/Schaft sich nach oben verjüngt und die mit einem Segmentbogen abschließen. Umgekehrt lässt sich aber genauso gut feststellen, in welchen Grabmalteilen eine bestimmte Form zu finden ist. So kann eine Abfrage zur Lage von Rundbögen genau aufzeigen, wo oder wann diese Bogenform vorrangig im oberen oder unteren Abschluss des Grabsteins verwendet wird.

Abb. 3: Einteilung ausgewählter Grabmaltypen in die horizontalen Zonen 1 bis 5.

Ein solches Vorgehen ist im Prinzip immer noch sehr einfach. Vor allem auf dem Referenzfriedhof in Hamburg-Altona kommen jedoch insbesondere im 18. Jh. auch Grabsteine vor, die verschiedene obere Abschlüsse in unterschiedlichen übereinandergelagerten Schichten enthalten können. Beispielsweise der in Abb. 4 dargestellte Grabstein weist einen geraden, einen karniesbogenförmigen und einen vorhangbogenförmigen oberen Abschluss auf, die unterschiedlichen Schichten angehören. Jeder Grabstein besitzt stets eine unterste Schicht Kubatur, die die Grundgeometrie bzw. Silhouette des Grabmals bezeichnet (category="Einzelelement" type="Kubatur"). Dieser Schicht entspricht in Abb. 4 der gerade obere Abschluss. Darauf liegen beim entsprechenden Beispielgrabstein noch zwei weitere Schichten, die Rahmung/Gliederung mit Karniesbogen-Abschluss und ein Schiftfeld mit Vorhangbogen-Abschluss. Jede dieser drei Schichten lässt sich jetzt separat in die oben genannten Zonen einteilen, so dass theoretisch insgesamt 15 Zonen in 3 Schichten beschrieben werden können. Im hierarchischen Baum der digitalen Erfassung sind dem Objekt Grabmal also zunächst 3 Einzelelemente untergeordnet, die die entsprechenden Schichten symbolisieren. Jene enthalten wiederum Einzelelemente, die die Zonen der Schichten bezeichnen.

 

                    

Abb. 4: Markierung der Schichten "Kubatur", "Rahmung/Gliederung" und "Schriftfeld" an zwei Beispielgrabmalen aus Hamburg-Altona.

Bei genauerer Betrachtung des Beispielgrabmals in Abb. 5a kann man des Weiteren feststellen, dass diese Schichten nicht immer genau parallel zueinander angeordnet sind. Soweit es die Kubatur und Rahmung/Gliederung betrifft, so ist die Lage der Zonen in diesen Schichten etwa deckungsgleich. Doch alle 3 Zonen des Schriftfeldes (unterer Abschluss, Mittelteil/Schaft, oberer Abschluss) befinden sich gänzlich innerhalb des Mittelteil/Schaftes der anderen beiden Zonen. Auch diese Relationen der Einzelelemente zueinander kann mit dem System erfasst und im Hierarchiebaum ausgedrückt werden. Dazu wird der gesamte Teilbaum für das Schriftfeld nicht parallel zu den anderen Schichten angeordnet, sondern so verschoben, dass er ein Unterobjekt der Zone Mittelteil/Schaft der Schicht Rahmung/Gliederung bzw. Kubatur bildet (Abb. 5b). Die Elementrelationen in der digitalen Grabbeschreibung versuchen also die Hierarchie der einzelnen, am Sachzeugnis tatsächlich vorhandenen Architekturelemente möglichst wahrheitsgetreu abzubilden. D.h. Informationsträger sind nicht nur die Werte in den XML-Attributen selbst, sondern auch die Stellung des Elements innerhalb des hierarchischen Gefüges. Auf diese Weise kann in Abfragen nachvollzogen werden, wie bestimmte Einzelelemente im Laufe der Zeit an eine andere Stelle des Grabsteins wandern.

 

        

Abb. 5a, b: Beispielgrabmal mit den Relationen der einzelnen Zonen in den Schichten zueinander (links); Schematische Darstellung der einsprechenden Lage des Teilbaumes innerhalb der Beschreibungsstruktur (rechts).


Weitere Elemente

Abgesehen von den Schichten und Zonen, die die ansichtsbezogene Grundstruktur der Grabarchitektur umreißen, können beliebig viele weitere Elemente den jeweiligen Zonen in den entsprechenden Schichten untergeordnet werden. Dazu gehören unter anderem Seiten-, Ober- und Unterkanten, die sich beispielsweise als abgeschrägt, profiliert oder unregelmäßig charakterisieren lassen. Dazu zählen aber auch Oberflächen, die wiederum gespitzt, poliert oder auch schariert sein können. Es ist genauso gut auch möglich beispielsweise den als Säule ausgeprägten Mittelteil/Schaft in der Rahmung/Gliederung des Grabmals in Abb. 5a wiederum in Zonen einzuteilen, um das Kapitell, den Schaft oder das Postament zu erfassen.

 

         

Abb. 6a, b: Ausschnitt aus einer Tabelle mit der Darstellung ausgewählter Spezifizierungen von ausgewählten Bogenarten (rechts - auch als Vollformat-pdf); Verwendung mehrerer Spezifizierungen (links).

Schließlich erlauben die sogenannten Spezifizierungen (category="Spezifizierung") die Aufgliederung komplexer Formen in Teilformen (Abb. 6a, b). Denn für aussagekräftige und systematische Datenabfragen ist es wenig sinnvoll, beispielsweise schon auf der Hierarchieebene der Zone oberer Abschluss Formen wie "eingezogener Rundbogen", "karniesförmig geschulterter Rundbogen" oder "Rundbogen mit Eck- und Scheitelakroter" direkt zu unterscheiden. Ein solches Vorgehen würde eine unübersichtliche Anzahl von Ergebnissen in Datenabfragen liefern und letztlich keine brauchbaren Aussagen im Sinne der quantitativen Auswertung zulassen. Deshalb werden in den Grabbeschreibungen des Projekts "Relationen im Raum" die vorgenannten oberen Abschlüsse auf der Hierarchieebne der Zone zunächst allgemein als Rundbogen bezeichnet. Die Besonderheiten werden in untergeordnete, sogenannte Spezifizierungen verlagert (im ersten Fall: category="Spezifizierung" type="Eckerweiterung/-reduzierung" form="eingezogen"; im zweiten Fall: category="Spezifizierung" type="geschulterte Ecken" form="Karnies"; im dritten Fall: category="Spezifizierung" type="Eckaufsätze/-hervorhebungen" form="Akroterion/Palmette" sowie category="Spezifizierung" type="Scheitelaufsatz/-hervorhebung" form="Akroterion/Palmette"). In Abb. 6a sind ausgewählte Bogen-Grundformen horizontal in der ersten Zeile angeordnet. Vertikal ist ein kleiner Ausschnitt von Spezifizierungstypen und entsprechenden Formen dargestellt. Einem Einzelelement mit einer Grundformen können beliebig viele Spezifizierungen untergeordnet werden, wobei in der Regel von Innen nach Außen beschrieben wird (siehe Abb. 6b). Der Vorteil einer solchen schrittweisen Untergliederung liegt darin, dass auch in Datenabfragen ebenso schrittweise vorgegangen werden kann (siehe dazu auch das Auswertungsszenarien). D.h. die Tabelle in Abb. 6a kann sowohl horizontal wie auch vertikal gefiltert werden. Eine Abfrage nach "Rundbögen" im Allgemeinen (inkl. aller untergeordneten Spezifizierungen) ist demnach genauso möglich, wie eine Filterung nach "karniesförmig geschulterten Ecken" ungeachtet dessen, ob die Grundform durch einen Korb-, Rund- oder einen Segmentbogen gebildet wird.

Schließlich ist es insbesondere für die Beschreibung von Grabmalen erforderlich, auch die Ornamentik zu erfassen (category="Ornament"). Grundsätzlich wird hierbei in die Typen floral, figürlich/gegenständlich, geometrisch/architektonisch unterschieden, denen eine Vielzahl von Einzelformen beigeordnet werden können. Bei der Erfassung der Ornamente wird genau zwischen der rein objektiven Beschreibung und der Interpretation - der Symbolik - unterschieden, die durch ein eigenes XML-Element repräsentiert wird (siehe dazu auch die RiR_gravestonedescription-1.1.xsd).

Eingabebeispiel

Um das baugeschichtliche Inventarisierungssystem zu illustrieren, wird im Folgenden ein Eingabebeispiel daregstellt:

Abb. 7: Fiktiver Grabstein mit drei Schichten.

Das gleiche Grabmal im XML-Code:

Eingabebeispiel XML
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<?xml-model href="http://baugeschichte.a.tu-berlin.de/bg/RiR/RiR_gravestonedescription-1.1.sch" type="application/xml" schematypens="http://purl.oclc.org/dsdl/schematron"?>
<gravestonedescription xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:noNamespaceSchemaLocation="http://baugeschichte.a.tu-berlin.de/bg/RiR/RiR_gravestonedescription-1.1.xsd" country="de" location="hha">
    <object invnr="1111" category="Grabmal" type="Stele" existent="true" insitu="true" fragment="false">
        <object category="Einzelelement" type="Kubatur">
            <object category="Einzelelement" type="Unterbau" form="gerade">
                <object category="Einzelelement" type="Oberfläche" form="Bruchsteinimitat"/>
            </object>
            <object category="Einzelelement" type="Mittelteil/Schaft" form="gerade"/>
            <object category="Einzelelement" type="oberer Abschluss" form="gerade"/>
        </object>
        <object category="Einzelelement" type="Rahmung/Gliederung" form="architektonisch gegliedert" plasticity="erhaben">
            <object category="Einzelelement" type="Sockelzone" form="gerade">
                <object category="Ausprägung" type="Postament"/>
            </object>
            <object category="Einzelelement" type="Mittelteil/Schaft">
                <object category="Ausprägung" type="Säule"/>
                <object category="Einzelelement" type="Sockelzone">
                    <object category="Ausprägung" type="Basis" form="korinthisch"/>
                </object>
                <object category="Einzelelement" type="Mittelteil/Schaft" form="gedreht"/>
                <object category="Einzelelement" type="oberer Abschluss">
                    <object category="Ausprägung" type="Kapitell" form="korinthisch"/>
                </object>
                <object category="Einzelelement" type="Schriftfeld" form="Tuch" plasticity="erhaben">
                    <object category="Einzelelement" type="Grundriss" form="konvex"/>
                    <object category="Einzelelement" type="unterer Abschluss" form="Korbbogen">
                        <object category="Spezifizierung" type="Scheitelaufsatz/-hervorhebung" form="Quaste"/>
                    </object>
                    <object category="Einzelelement" type="Mittelteil/Schaft" form="gerade">
                        <object category="Einzelelement" type="Seitenkanten" form="Falten"/>
                    </object>
                    <object category="Einzelelement" type="oberer Abschluss" form="Vorhangbogen">
                        <object category="Spezifizierung" type="Scheitelaufsatz/-hervorhebung" form="Knoten"/>
                        <object category="Spezifizierung" type="Eckaufsätze/-hervorhebungen" form="Knoten"/>
                    </object>
                </object>
            </object>
            <object category="Einzelelement" type="oberer Abschluss" form="Karniesbogen">
                <object category="Ausprägung" type="Profil/Gesims"/>
                <object category="Spezifizierung" type="Eckaufsätze/-hervorhebungen" form="Akroterion/Palmette"/>
            </object>
        </object>
    </object>
</gravestonedescription>

 

Auswertung der Daten mit quantitativen Methoden

Wie bereits erwähnt, erlaubt die erläuterte Struktur der Grabbeschreibungen im Projekt "Relationen im Raum" eine breit gefächerte Analyse, die durch die Auswertungsszenarien ansatzweise illustriert werden sollen, siehe dazu:

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