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260 Ziel, Interesse oder Aufgabe der Institution
Die Ziele der SPD haben sich seit 1945 lebhaft und in Teilen immer wieder aufs neue grundlegend verändert, weshalb eine kompakte Darstellung dieser komplexen Ausgangslage in wenigen Sätzen praktisch nicht leistbar ist. Deshalb lässt sich an dieser Stelle die programmatische Entwicklung der SPD anhand ihrer verabschiedeten Programme selbst nachvollziehen.
Grundsatzprogramme/Programme
- 1945 Politische Richtlinien für die SPD in ihrem Verhältnis zu den anderen politischen Faktoren (Kurt Schumacher)
- 1947 Entschließungen der Kulturpolitischen Konferenz in Ziegenhain
- 1952/54 Aktionsprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auf dem Parteitag in Dortmund 1952 und erweitert auf dem Parteitag in Berlin 1954
- 1959 Grundsatzprogramm beschlossen auf dem außerordentlichen Parteitag in Bad Godesberg
- 1989 Grundsatzprogramm vom Programmparteitag in Berlin und Ergänzungen vom außerordentlichen Parteitag 1998
- 2007 Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands; beschlossen auf dem Hamburger Bundesparteitag der SPD am 28.10.2007
4208 Geschichtliche Stationen und Daten
- 15.06.1945: Gründung eines Zentralausschusses zur Wiederbelebung der Partei nach dem Verbot durch die Nationalsozialisten 1933
- 15.11.1969: Mit der Verabschiedung des Godesberg Programms als neuem Grundsatzprogramm gibt die Partei jegliche marxistisch-ideologische Programmatik auf
- 22.10.1969-16.05.1974: Führung der deutschen Bundesregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt
- 16.05.1974-01.10.1982: Führung der deutschen Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands entstand 1875 aus der Zusammenführung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, der von Ferdinand Lassalle 1863 gegründet wurde, sowie der als Gegengründung zu diesem entstanden Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) um August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Die Partei hieß jedoch zuerst von 1875 bis 1890 Sozialistische Arbeiterpartei und wurde erst zum Ende dieses Zeitraums in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannt. Die Spannungen zwischen der Vorstellung der Reformfähigkeit des Staates zur Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterschaft, die von Lassalle und dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein vertreten wurde, und den durch Marx und Engels beeinflussten Vorstellungen einer Veränderung der Herrschaftsstrukturen zu einer Sozialistischen Gesellschaft, die von der SDAP um Bebel und Liebknecht vertreten wurden, bestimmten lange und zum Teil immer noch die innerparteiliche Debatte und politische Positionierung der SPD (Jun 2013: 387f). In der Kaiserzeit sowie in der Weimarer Republik blieb die SPD eine Arbeiter- und somit Klassenpartei und hatte ihre erste Regierungsverantwortung 1919, als Friedrich Ebert Reichspräsident und Phillipp Scheidemann Reichskanzler wurde. Somit war sie auch im politischen Geschehen der Weimarer Republik eine feste Größe. Nach der 'Machtübernahme' durch Adolf Hitler stimmte die SPD-Fraktion im Reichstag geschlossen gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz, das einen der wichtigsten Schritte zur Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates darstellte. Die SPD wurde zu einer der ersten in der Nazi-Zeit verfolgten Organisationen und wurde am 22. Juni 1933 als "volks- und staatsfeindliche" Organisation verboten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 begann die SPD sich in den drei Westzonen – unter großem Einfluss des Büros von Kurt Schumacher – zu reorganisieren. Programmatisch knüpfte sie dabei an die Weimarer Zeit mit einer sozialistischen Leitlinie an und vertrat somit Positionen, die sich gegen eine Westintegration und Wiederbewaffnung der BRD richteten (Jun 2013: 388). Da Teile dieser Positionen auch von bestimmten Gruppen innerhalb der EKD vertreten wurden und die evangelische Kirche sich im Prozess der Reflexion sowohl der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus als auch ihrer Berücksichtigung der Interessen der Arbeiterschaft befand, versuchte man auf Seiten der Kirche den Kontakt zur SPD auszubauen, was jedoch keine große Gegeninitiative auf Seiten der SPD zur Folge hatte (Lösche/Walter 1992: 332, 333).
Mit der Auflösung der GVP 1957 und dem darauffolgenden Wechsel vieler protestantischer Politiker und vieler Pfarrer in die SPD verstärkten sich die protestantischen Elemente in der SPD erheblich. Eine treibende Kraft hierbei war der Wechsel einiger bekannter Personen wie Gustav Heinemann, Jürgen Schmude, Johannes Rau und Diether Posser, die im späteren Verlauf ihren Weg in führende Positionen innerhalb der SPD fanden (Lösche/Walter 1992: 333).
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, der in den 1950er Jahren in der BRD begann, schwächten sich die marxistisch-sozialistischen Vorstellungen in der SPD ab. So kam es über das Berliner Grundsatzprogramm 1954 bis zum Godesberger Programm 1959 zu der Idee eines reformierten, betont demokratischen Sozialismus, der in der Wirtschaftspolitik sowohl Planung als auch Wettbewerb zu Anteilen beinhaltete. Das Godesberger Programm markierte somit den Punkt der Abkehr der SPD von einer geschlossenen marxistischen Weltanschauung hin zu einem grundwerteorientierten, pluralistischen Sozialismusverständnis (Jun 2013: 389). Mit den programmatischen Neu-Positionierungen, wie beispielsweise dem Anerkennen der Sozialen Marktwirtschaft, dem Mittragen der Nato-Mitgliedschaft sowie der Akzeptanz des Bestehens der Bundeswehr, war auch eine Öffnung gegenüber kirchlichen Akteuren verbunden. So betonte das Godesberger Programm die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Kirchen- und Religionsgemeinschaften und betonte, dass Sozialismus nicht als Religionsersatz zu verstehen sei (Jun 2013: 389,396, Dowe/Klotzbach 2004: 339).
Die Veränderungen der Positionen der SPD durch das Godesberger Programm erhöhte die Akzeptanz durch die anderen Parteien in der BRD und somit auch die Koalitionsfähigkeit der Partei. Außerdem ergab sich aus den darauffolgenden programmatischen Entwicklungen langsam das Image einer modernen Reformpartei (Jun 2013: 389). Die damit verbundene Öffnung der SPD für breitere Wählerschichten ermöglichte es, dass die SPD 1966 erstmals in der BRD Regierungsverantwortung innerhalb einer Großen Koalition unter Kiesinger/Brandt übernahm und 1969 im Rahmen einer sozial-liberalen Koalition unter Brandt/Scheel die Regierungsverantwortung behaupten konnte (Jun 2013: 389f).
Die Koalition von SPD und FDP unter dem Kanzler Willy Brandt gestaltete eine neue Ostpolitik unter dem Motto „Wandel durch Annäherung“, welche unter anderem von Egon Bahr geprägt wurde. Impulse für diese neue Ostpolitik gingen aus dem protestantischen Raum hervor, der durch die aus der GVP beigetreten Mitglieder an Einfluss gewann. Des Weiteren gab die Ostdenkschrift der EKD von 1965 einen Bezugspunkt für die neue Ostpolitik der SPD/FDP-Koalition (Lösche/Walter 1992: 333f). Mit dem Wechsel der Kanzlerschaft von Willy Brandt zu Helmut Schmidt 1974 behielt die SPD zwar die Regierungsverantwortung in der BRD, die von der Regierung verfolgte pragmatische Politik führte jedoch zu Konflikten zwischen dem linken Parteiflügel und der Regierung Schmidt (Jun 2013: 389). Die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen über Atomkraft und Nachrüstung führten jedoch nicht nur zu Streit innerhalb der Partei, sondern auch dazu, dass die protestantischen Amtsträger mehrheitlich zu der Politik der SPD/FDP-Regierung auf Distanz gingen (Lösche/Walter 1992: 334).
Mit der Kanzlerschaft Helmut Kohls 1982 begann für die SPD eine lange Zeit in der Opposition, die 16 Jahre dauern sollte. Die achtziger Jahre waren jedoch auch durch ein Bemühen der SPD geprägt, die "ökopazifistischen Pfarrer" und protestantischen Laien, die sich durch die Regierungspolitik Helmut Schmidts von der SPD entfernt hatten, zurückzugewinnen (Lösche/Walter 1992: 335). Das zeigte sich vor allem in der starken Präsenz der SPD auf dem Kirchentag in Hannover 1983 und in einer stärkeren Inkorporation postmaterialistischer Werte in die Programmatik der SPD. Dies führte zu einer Rückkehr der teilweise zu den Grünen abgewanderten Protestanten (Ebd.). Ein weiteres Indiz für die in den achtziger Jahren zunehmende Nähe der SPD zur EKD zeigte sich in der Wahl des stellvertretenden SPD-Bundesfraktionsvorsitzenden Jürgen Schmude zum Präses der EKD im Jahr 1985. So ziehen Peter Lösche und Franz Walter das Fazit, dass "die SPD zum Ende der achtziger Jahre eine stark protestantische Partei geworden" ist (Lösche/Walter 1992: 335, 336).
Vorsitzende der SPD in der Nachkriegszeit
1945-1946 Otto Grotewohl (Vorsitzender der SPD in der Sowjetischen Zone)
1945-11.05.1946 Kurt Schumacher (Vorsitzender der SPD in der Britischen Zone)
Vorsitzende der SPD in Westdeutschland
11.05.1946-20.08.1952 Kurt Schumacher
27.09.1952-14.12.1963 Erich Ollenhauer
16.02.1964-14.06.1987 Willy Brandt
14.06.1987-29.05.1991 Hans-Jochen Vogel
Vorsitzende der SPD seit 1990
03.10.1990-29.05.1991 Hans-Jochen Vogel
29.05.1991-03.05.1993 Björn Engholm
03.05.1993-25.06.1993 Johannes Rau (kommissarisch)
25.06.1993-16.11.1995 Rudolf Scharping
16.11.1995-12.03.1999 Oskar Lafontaine
12.03.1999-21.03.2004 Gerhard Schröder
21.03.2004-15.11.2005 Franz Müntefering
15.11.2005-10.04.2006 Matthias Platzeck
10.04.2006-07.09.2008 Kurt Beck
07.09.2008-18.10.2008 Frank-Walter Steinmeier (kommissarisch)
18.10.2008-13.11.2009 Franz Müntefering
seit 13.11.2009 Sigmar Gabriel
Netzwerk
500 Böckenförde, Ernst-Wolfgang
500 Fetscher, Iring
500 Haack, Dieter
500 Lübbe, Hermann
500 Merten, Hans
500 Metzger, Ludwig
500 Posser, Diether
500 Weber, Hartmut
500 Wenzel, Fritz
500 Wehner, Herbert
510 Politische Verantwortung. Evangelische Stimmen
510 Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)
510 Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP)
Publikationen
Eigene Publikationen
692 Informationsdienst Kirchenfragen 1974-1978 (unregelmäßig erschienen)
Archivbestände
670 Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Veröffentlichungen über die Institution
730 Cato, Ferhat: Hat sich die SPD überlebt? Zum 150. Geburtstag der Sozialdemokratie, Koblenz 2013.
730 Faulenbach, Bernd: Geschichte der SPD. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2012.
730 Harreus, Dirk: SPD. Das rote Parteibuch, München 1998.
730 Maget, Franz (Hg.): Kirche und SPD. Von Gegnerschaft zu Gemeinsamkeiten, München 2014.
730 Moraw, Frank: Die Parole der „Einheit“ und die Sozialdemokratie, Bonn 1990.
730 Potthoff, Heinrich/Miller, Susanne: Kleine Geschichte der SPD. 1848-2002, Bonn 82002.
730 Uschner, Manfred: Die Ostpolitik der SPD. Sieg und Niederlage einer Strategie, Berlin 1991.
730 Walter, Franz: Die SPD. Biographie einer Partei, Reinbeck bei Hamburg 2009.
410 Abkürzung: SPD
006 DNB-Link: http://d-nb.info/gnd/4077558-6
Eingehende Verknüpfungen
Albertz, Heinrich
Barth, Karl
Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union
Brakelmann, Günter
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)
Dahrendorf, Ralf
Deutsche Bundesregierung
Deutscher Bundestag
Eichler, Willi
Eppler, Erhard
Fetscher, Iring
Frenz, Helmut
Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP)
Haack, Dieter
Heinemann, Gustav
Horst Krautter
Kern, Karl-Hans
Lange, Ernst
Lübbe, Hermann
Merten, Hans
Metzger, Ludwig
Moltmann-Wendel, Elisabeth
Nell-Breuning, Oswald von
Neuloh, Otto
Oertzen, Peter von
Oeser, Kurt
Politische Verantwortung. Evangelische Stimmen (Zeitschrift)
Posser, Diether
Priebe, Moritz-Ernst
Rau, Johannes
Ringeling, Hermann
Schmidt, Helmut
Schmude, Jürgen
Schubert, Klaus von
Schumacher, Kurt
Selbert, Martha Elisabeth
Simpfendörfer, Jörg
Staewen, Gertrud
Tillich, Paul
Weber, Hartmut
Wehner, Herbert
Weisser, Gerhard
Wenzel, Fritz
Wisselinck, Erika
Wünsch, Georg